Silvia will ausbrechen aus der biederen Welt ihres Vaters, in der sie nichts erwartet als die immer gleichen miefigen Tapeten. Als sie in seinen Unterlagen eine erschütternde Entdeckung macht, muss sie endgültig verschwinden. Es zieht sie auf das Waldeck-Festival, wo eine junge Generation mit Gitarren und Folksongs aufbegehrt: gegen den Starrsinn der Alten und die verbohrten Strukturen der Nachkriegszeit.
Währenddessen wittert der in Ungnade gefallene Journalist Ferdinand Broich endlich eine neue Story: Eine Frau will einen ehemaligen SS-Arzt auf der Straße erkannt haben. Doch als Broich die Zeugin wenige Tage später aufsuchen will, ist die bereits tot.
Eine gefährliche Suche nach der Wahrheit beginnt, in einem Deutschland, dessen dunkle Vergangenheit noch bedrohlich nahe ist.
Der Autor führt uns gut recherchiert in die junge Bundesrepublik, in der ältere Männer versuchen, ihr Vergangenheit umzuschreiben und sich auf der Grundlage des neuen Rechtssystems reinzuwaschen. Die Charaktere hier sind glaubhaft und mit Tiefe gezeichnet und anhand einer Familiengeschichte, um die sich alles dreht auch leicht und gut nachvollziehbar zu lesen. Da ist die junge Silvia, die aus ihrer Welt ausbricht nachdem sie eine ihre moralischen Vorstellungen erschütternde Entdeckung gemacht hat. Auf der anderen Seite der Journalist Ferdinand, der an einer neuen Story dran ist. Eine Frau hat einen ehemaligen SS-Arzt erkannt und als Ferdinand zu ihr fährt ist sie tot. Die Suche nach den Hintergründen führt ihn in eine gefährliche Mischung aus Bedrohung, Vertuschung und Verbiegung von Wahrheiten und Rechten.
In diesem Kriminalroman tauchen wir tief in die deutsche Nachkriegsgeschichte ein, in die Epoche einer verklemmten Gesellschaft, die die Augen vor den Taten und Gräuel der Kriegszeit auch gerne noch verschließt. Auf der anderen Seite ist da der Aufbruch einer jungen Generation, die die verkrusteten Strukturen aufbrechen, sich entwickeln und eine neue Geschichte schreiben möchte.
Ich habe das Buch richtig gern gelesen, da es mir ein weiteres Kapitel deutscher Geschichte sehr nahe gebracht hat und verständlich Historie und Spannung in einem Roman verwoben hat. Eine große Leseempfehlung für alle, die sich für jüngere deutsche Geschichte interessieren und diese gerne in einem stark recherchierten und spannend aufbereiteten Kriminalroman lesen.
Packender Krimi rund um das Liedermacherfestival auf Burg Waldeck
Bewertung am 04.08.2024
Bewertungsnummer: 2259618
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Als ich diesen spannenden historischen Krimi zu Ende gelesen hatte, war mein erster Gedanke, dass der Stoff verfilmt werden müsste. Jürgen Heimbach entführt uns mit seinem Roman in eine Zeit, die ich ohnehin sehr interessant finde, die 60er Jahre im geteilten Deutschland. Eine Zeit, die geprägt ist vom beharrlichen Schweigen derer, die den Krieg miterlebt hatten, unabhängig davon, ob sie an den nationalsozialistischen Gräueltaten beteiligt waren oder nicht. Eine Zeit, in der NS-Täter in der jungen Republik hohe Ämter bekleiden, ob als Juristen, Ärzte oder im Bundesnachrichtendienst. In den 60er Jahren meldet sich eine junge Generation zu Wort, die nicht länger bereit ist, dieses Schweigen, diese totale Verdrängung der NS-Zeit hinzunehmen. Sie beginnen, unbequeme Fragen nach der Vergangenheit zu stellen und sich mit der Rolle der eigenen Familie auseinanderzusetzen. Auch die Presse unternimmt erste zaghafte Schritte der Berichterstattung und Recherche in einem Deutschland, das sich aus den Trümmern erhoben hat und von seiner Vergangenheit nichts mehr wissen will und das ist nicht ganz ungefährlich.
Vor diesem Hintergrund beschert uns Jürgen Heimbach einen Krimi, der durch seine Authentizität, seine akribische Recherche und seine vielschichtige Herangehensweise besticht und die Atmosphäre wunderbar einfängt. Eine packende Verfolgungsjagd zieht sich durch das Buch und endet auf Burg Waldeck, wo im Mai 1964 das erste Liedermacherfestival stattfindet. Die Musik der Jugend, die hier gefeiert wird, steht sinnbildlich für die Aufbruchstimmung. Sehr einfühlsam fängt der Autor das Aufeinanderprallen der beiden weiblichen Protagonistinnen mit den eingefahrenen Denkmustern ihrer Familien, der Rolle der Frau und der Infragestellung dieser Wertvorstellungen hin zu einem selbstbestimmten Leben und selbstgewählten Partnern ein.
Und das alles ist ein Krimi? Oh ja, hochspannend, ich bin begeistert.
Wir nutzen Ihr Feedback, um unsere Produktseiten zu
verbessern. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Ihnen keine Rückmeldung geben können. Falls Sie
Kontakt mit uns aufnehmen möchten, können Sie sich aber gerne an unseren Kund*innenservice wenden.